Als die Bäume ihre Blätter verloren und die Tage frischer wurden, spürte ich, dass eine Veränderung bevorstand. Die Welt schien sich zu verlangsamen, als würde sie sich auf einen Wandel vorbereiten und ich tat es ihr gleich. Die Rückkehr an die Universität für mein drittes Semester brachte dieses Gefühl der Erneuerung mit sich: einen Rhythmus aus Reflexion und Anpassung. Diese letzten beiden Semester waren mehr als nur eine Fortsetzung meines Studiums, sie wurden zu einem Spiegel, durch den ich Veränderung besser zu verstehen lernte: in der Arbeitswelt, in Führungsrollen und in mir selbst.
Im Laufe dieses MBA-Studiums habe ich erkannt, dass die wertvollste Lektion darin besteht, flexibel und formbar zu bleiben – wie Wasser. Stabilität und Beständigkeit sind Illusionen; was wirklich zählt, ist die Fähigkeit, sich anzupassen, die eigene Form zu verändern, wenn es die Umstände erfordern, und offen für neue Perspektiven zu bleiben. Diese Erkenntnis hat nicht nur meine Art zu lernen geprägt, sondern auch meine gesamte berufliche Haltung.
Als ich das Programm begann, war ich bereits als Beraterin für IT- und Change-Management-Projekte in der Finanzbranche tätig. Doch etwa zur gleichen Zeit traf ich eine mutige Entscheidung: Ich machte mich mit meiner Beratungsarbeit selbstständig. Plötzlich war ich nicht mehr nur Ratgeberin, sondern auch Unternehmerin – verantwortlich dafür, mit Unsicherheiten umzugehen, Kundenbeziehungen aufzubauen und meine eigene berufliche Identität zu definieren.
Dieser Schritt war zugleich aufregend und herausfordernd. In unbekanntes Terrain vorzudringen bedeutete, vieles neu zu lernen, von dem ich glaubte, es längst zu beherrschen: meine Arbeit nicht nur aus technischer, sondern aus strategischer Perspektive zu betrachten. Der Goethe MBA bot den idealen Rahmen für diesen Wandel. Er gab mir die notwendigen Modelle, Denkwerkzeuge und – vielleicht am wichtigsten – den Raum zur Reflexion, um kritisch darüber nachzudenken, welche Art von Beraterin und Führungspersönlichkeit ich sein möchte.
Ein Konzept, das mich besonders geprägt hat, war die Idee der „fluiden Strategie“, inspiriert vom alten chinesischen Spiel Go. Anders als beim Schach, wo Züge linear und konfrontativ sind, erfordert Go Geduld, Feingefühl und die Fähigkeit, das Spielfeld als sich ständig entwickelndes System zu betrachten.
Lernen durch Praxis: Erkenntnisse aus dem Unterricht
Der MBA wurde schnell zu einer Erweiterung meiner beruflichen Realität. Besonders prägend war das Modul Economic Environment of Business bei Prof. Dr. Uwe Walz. Es vertiefte mein Verständnis dafür, wie technologischer Wandel Märkte neu formt und den Wettbewerb beeinflusst. Durch Diskussionen und Fallstudien erkannte ich ein wiederkehrendes Muster in den Herausforderungen meiner Kunden: Nicht fehlende Ressourcen oder digitale Tools standen im Weg, sondern eine starre Denkweise. Viele Unternehmen im Finanzsektor sind noch immer stark von Traditionen geprägt und tun sich schwer, kreative Risiken einzugehen oder echte Innovation zuzulassen.
Dieses Modul half mir, solche Herausforderungen neu zu betrachten. Ich begann zu verstehen, dass die Fähigkeit zur technologischen Anpassung ebenso sehr eine kulturelle wie eine technische Frage ist. Es bestätigte meine Überzeugung, dass Führung heute ein Gleichgewicht aus strategischem Weitblick und menschlichem Einfühlungsvermögen erfordert – die Fähigkeit, nicht nur Systeme, sondern auch Menschen durch Unsicherheit zu führen.
Diese Erkenntnis wurde im Modul Leading People in Organisations bei Dr. Karolien Notebaert und Prof. Dr. Rolf van Dick noch vertieft. Die Themen Konfliktmanagement, Verhandlung und emotionale Intelligenz fanden sofort ihren Platz in meinem Arbeitsalltag. Ich erinnere mich besonders an ein Projekt, bei dem ich die technische Leitung einer umfangreichen Datenmigration übernahm. Ein neues Projektteam war gerade erst zusammengestellt worden, und Spannungen ließen nicht lange auf sich warten. Die Abteilungsleitung hatte Schwierigkeiten, Strukturen und Vertrauen aufzubauen – ohne zu erkennen, dass dieser Prozess ganz natürlich war. Dieses Erlebnis machte mir erneut bewusst, wie entscheidend es ist, menschliche Dynamiken zu verstehen – nicht nur Projektpläne oder aktuelle Trendthemen wie Künstliche Intelligenz. Teams durchlaufen, wie Menschen auch, Phasen des Formens, Konflikts und der Leistungsfindung – und ohne dieses Verständnis verliert selbst das bestgeplante Projekt schnell an Rhythmus.
Diese Module haben mein Wissen nicht nur erweitert, sondern auch meinen Blick geschärft. Sie halfen mir, Theorie und Praxis zu verbinden und Erkenntnisse direkt aus dem Unterricht in Kundengespräche mitzunehmen, in denen reale Komplexität jedes Konzept auf die Probe stellt.
Europa am Scheideweg: Eine weitergehende Reflexion
Im Laufe meines MBA-Studiums gingen meine Überlegungen über die persönliche Entwicklung hinaus und weiteten sich auf die europäische Wirtschaftslandschaft aus. Ein beunruhigender Trend lässt sich dabei kaum übersehen: Der Kontinent, der einst für Kreativität, Innovation und mutige Ideen stand, wirkt heute zunehmend starr. Bürokratie und Regulierung, die eigentlich Schutz bieten sollen, ersticken oft genau die Vitalität, die Europa für seine Innovationskraft dringend braucht.
Wir stehen an einem Scheideweg. Um in der digitalen Wirtschaft relevant zu bleiben, muss Europa seine Vorstellungskraft und seinen Mut wiederentdecken. Es gilt, ein Umfeld zu schaffen, in dem Start-ups florieren, Finanzvorschriften eher unterstützen als bremsen und Risikokapital nicht als Risiko, sondern als Investition in Chancen betrachtet wird. Vor allem müssen wir verstehen, dass Fortschritt selten linear verläuft, sondern sich Schritt für Schritt und strategisch entfaltet – ähnlich wie beim Spiel Go.
Diese Gedanken bilden die Grundlage meiner bevorstehenden Masterarbeit. Darin möchte ich untersuchen, wie Finanzregulierung die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken kann, indem sie Kapitalmärkte stabilisiert und Innovation fördert. Ich bin überzeugt, dass die nächste Generation von Führungskräften – zu der auch meine Kommilitonen im MBA gehören – die treibende Kraft hinter dieser Erneuerung sein muss. Passiv zu beobachten, wie sich Wandel vollzieht, reicht nicht aus; wir müssen selbst Teil dieses Wandels werden.
Abschließende Überlegungen: Zurück zum Anfang
Wenn ich an die frühen Herbsttage zurückdenke, an denen ich über den Campus unter Bäumen ging, die ihre Blätter fallen ließen, sehe ich jetzt, wie treffend diese Metapher war. Jedes fallende Blatt erinnerte daran, dass Veränderung das Loslassen veralteter Annahmen, bequemer Gewohnheiten und linearen Denkens erfordert.
Der MBA-Weg war ein Zyklus solcher Erneuerung. Er hat mich gelehrt, dass Erfolg nicht darin besteht, die Zukunft vorherzusagen, sondern flexibel genug zu sein, um sie mitzugestalten. Ich lernte, Unsicherheit als Verbündeten statt als Bedrohung zu betrachten und Führung als einen Akt von Neugier und Empathie zu verstehen.
Wenn ich nach vorne blicke – auf meine Masterarbeit, auf meine Arbeit – bleibt mir vor allem eine Lektion: flexibel, formbar und offen zu bleiben. Wie Wasser ist oft die anpassungsfähigste Kraft die mächtigste.